Karnevalstraditonen auf La Palma & Programm Día de Los Indianos 2016
Babypuder-Schlachten, weiße Indianer und abgefackelte Sardinen
Karneval in Rio ist schillernd und sexy. Karneval in Köln ist “alaaaf”. Und Karneval auf La Palma ist einfach ausgeflippt. Hier fliegt statt Konfetti Talkum-Puder durch die Luft, hier tanzen “weiße Indianer” durch die Straßen, und hier brennen Sardinen aus Papier und Stoff. Kurz: Die Isla Bonita braucht sich in Sachen Ausgelassenheit nicht zu verstecken.

Día de Los Indianos in Santa Cruz de La Palma: überall chicas guapas in aufwändigen Kolonialroben. Foto: www.indianos.info
Das populärste Karnevalevent auf La Palma ist der Rosenmontag in der Inselhauptstadt Santa Cruz. Dia de Los Indianos heißt das Spektakel, bei dem sich inzwischen jedes Jahr zigtausende Fans zu einer einzigartigen Fiesta versammeln. Dabei handelt es sich nicht um wilde Rothäute – die Indianas und Indianos treten vielmehr mega-schick in weißen oder beigen Roben und Anzügen im Kolonial-Stil aufs närrische Parkett. Hüte sind Pflicht, und Accessoires wie Schirmchen, Täschchen, Koffer oder sogar Papageien runden das pittoreske Bild ab. Bunte Punkte setzen die Palmeros, die sich als Sklaven verkleiden und mit schuhcremegeschwärzten Gesichtern durch die Altstadt wirbeln. Allen voran tanzt die Galleonsfigur des Día de Los Indianos, die Negra Tomasa – eine Maske, hinter der sich Victor Lorenzo Díaz Molina alias Sosó verbirgt.
Kleiner Gang durch die Geschichte des Día de Los Indianos
Die Kombination aus schwarz und weiß beim Día de Los Indianos ist eine Parodie. Auf den Arm genommen werden damit die Palmeros, die zwischen dem 16. und 20. Jahrhundert nach Latein- und Südamerika ausgewandert waren und ihren dort erworbenen Reichtum bei ihrer Wiederkehr oft schamlos zur Schau stellten. Eine erste Persiflage auf dieses politisch nicht wirklich korrekte Verhalten der Rückwanderer gab es schon 1920, als erstmals eine Gruppe von Freunden kolonial gewandet durch den Karneval in Santa Cruz flanierte. 1966 wurden die Indianos offiziell Bestandteil des närrischen Programms, und vor mehr als 20 Jahren erfand Sosó die Figur der Negra Tomasa.
Woher kommt eigentlich die Talkum-Tradition?

Offizielles Indianos-Plakat 2016 von Saúl Santos: Talkum-Regen auf der Plaza de Habana, wie der Rathausplatz in Santa Cruz zu Ehren von Kuba im Karneval heißt.
Erstaunlich ist, dass die Indianas und Indianos null problema damit haben, dass ihre oft in aufwändiger Handarbeit gefertigten Roben im Hexenkessel Santa Cruz in null-komma-nix vom Talkum-Puder ruiniert werden. Tonnenweise fliegt der weiße Staub durch die Luft und setzt sich gnadenlos in jeder Kleider- und Gesichtsfalte ab. Die Historikerin Maria Victoria Hernández weiß, dass die Polvo-Tradition viel älter als der Día de Los Indianos ist. Schon in Dokumenten aus dem 17. Jahrhundert werde erwähnt, dass man sich am Rosenmontag “pulverisiert” habe. Manche erklären dies nach Angaben der Geschichtswissenschaftlerin mit afrokubanischen Bräuchen, bei denen die Haut weiß bemalt werde.Wieder andere, so Maria Victoria, führten den karnevalistischen Puderregen darauf zurück, dass Rückkehrer aus den Tropen im Hafen von Santa Cruz mit Chemikalien eingesprüht wurden, um zu vermeiden, dass sie Krankheiten einschleppen.
Weißes Inferno in Santa Cruz und Los Llanos
Aber wie auch immer: Seit den 1980er-Jahren vereinigen sich Polvo und Indianos in weißen Wolken. Um diese w-clouds zu fördern, verteilt die Stadt Santa Cruz am Rosenmontag sogar kostenlos Babypuder-Dosen ans närrische Volk, und die ganz Harten bauen sich Geräte bis hin zu Kanonen, um das weiße Zeug mit ordentlich Dampf in die durchgeknallte Szene zu ballern.
Talkum verwandelt freilich nicht nur die Hauptstadt in ein weißes Inferno, sondern wabert zu Karneval durch alle Gemeinden auf La Palma. Eines der Highlights in der Stadt Los Llanos ist zum Beispiel die Gran Polvacera – ein Umzug, bei dem weder die Akteure noch das Publikum sauber davonkommen. Und auf der büdchenumrahmen Festmeile der Stadt herrscht während der gesamten Karnevalszeit das mal anders interpretierte Saubermann-Motto “Weißer geht´s nicht”.
Unser weiser Rat für Greenhorns: Wer auf La Palma zum Karneval geht, sollte die Designerklamotten zuhause lassen. Ideal für die Polvo-Schlacht wären Ölzeug und Südwester. Vor allem Leute, die bunt gekleidet in die weiße Szene eintauchen, werden sofort aufs Korn genommen. Tipp: Babypuder kaufen (gibt´s in allen Supermärkten zum Karneval in rauen Mengen) und vorm Betreten des Schlachtfelds über den eigenen Kopf schütten – das schützt vorm Allerschlimmsten. Dann kann die Fiesta losgehen! Bei Samba- und Salsaklängen wird gefestet bis der Arzt kommt – oder noch länger, weil der Doktor mitfeiert.
Zum Schluss kommt die Sardine auf den Rost
Am Aschermittwoch ist der Karneval in Deutschland vorbei – aber nicht auf La Palma! Carnaval adíos heißt es erst, wenn die Sardine beerdigt ist, und nicht mal immer dann. In einer feierlich-gruseligen Prozession aus schwarzgewandeten Trauergästen und angsteinflößenden Henkersknechten werden die Stoff-und-Pappendeckel-Fische durch die Ortschaften getragen, wobei es allerdings ziemlich fröhlich zugeht. Höhepunkt ist das Abfackeln der Sardinas – und dann wird natürlich noch ein bisschen weitergefestet…
Día de Los Indianos: 8. Februar 2016 in Sant Cruz de La Palma

Alles wartet wieder auf den großen Auftritt der Negra Tomasa vorm Rathaus in Santa Cruz: Sosó schwenkt die kubanische Fahne. Foto: Stadt
10.30 Uhr: Alles wartet auf der Plaza de España bei kubanischer Musik auf die Ankunft der Negra Tomasa.
10.30 Uhr: Auch auf der Plaza Alameda beim Kolumbus-Schiffsnachbau im Norden der Stadt ertönen von jetzt ab den ganzen Tag kubanische Klänge.
11.00 Uhr: Im Atrium des Rathauses findet die Empfangsparodie statt.
12.00 Uhr: In der Avenida Marítima 4 langen jetzt ebenfalls Bands in Saiten und Tasten.
12.00 Uhr: Die Negra Tomasa und ihre “Familie” verlassen ihr Schiff im Hafen von Santa Cruz de La Palma, wo sie von Fans und Presse empfangen werden. Von hier aus geht es weiter auf die Plaza España, pardon: in den kubanischen Hexenkessel Plaza de Habana, wie der Rathausplatz während der Karnevalszeit heißt.

In allen Gassen und auf allen Plätzen von Santa Cruz geht´s rund: Motive für Fotografen ohne Ende – deshalb gibt´s auch einen Fotowettbewerb, bei dem man allerhand gewinnen kann. Mehr Infos dazu auf der Website www.indianos.info
13.30 Uhr: Tausende Indianas und Indianos bereiten der Negra Tomasa einen begeisterten Empfang auf der Plaza de Habana.
15 Uhr und 16 Uhr: An der Avenida de El Puente und in der Passage beim Cabildo erklingt nun ebenfalls Live-Musik – Salsa heißt das Motto.
16.30 Uhr: Gratis-Ausgabe von Babypuder-Dosen vorm Eingang zur Altstadt – ein Laster der Stadt steht bereit.
17 Uhr: Von der Avenida de los Indianos beim Hafen bis zur Plaza Alameda tourt der große Indianos-Umzug mit seinen Artilugios genannten Selbstbauten durch die Altstadt.
20 Uhr: Auf dem Karnevalsgelände beginnt das Festival Indiano – für Stimmung bis in die frühen Morgenstunden sorgen die Bands Troveros de Asieta, Mayelin, La Candela, Changó und Tropicana.
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